Nervus medianus: Anatomie, Funktion und Störungen
1. Nervus medianus
Funktion:
Der Nervus medianus erfüllt eine komplexe Funktion als gemischter Nerv:
- Motorisch: Primär innerviert er die Flexormuskeln des Unterarms, die für die Beugung (Flexion) der Hand und Finger verantwortlich sind, sowie einige Muskeln des Daumenballens (Thenarmuskulatur), die eine Feinmotorik im Greifprozess und die Opposition des Daumens ermöglichen. Dieser Nerv spielt eine zentrale Rolle beim Greifen und präzisen Halten von Objekten.
- Sensibel: Der Nervus medianus versorgt sensibel das palmare Hautareal der radialen (seitlichen) Handseite, d. h. die Innenflächen von Daumen, Zeige-, Mittel- und einem Teil des Ringfingers. Er sorgt für eine genaue sensorische Rückmeldung, die für taktile Empfindungen und Temperaturempfinden in diesen Fingern entscheidend ist.
Segment:
Die segmentale Versorgung des Nervus medianus erfolgt aus den Nervenwurzeln der Segmente C5 bis Th1, wobei die Hauptwurzeln C6 bis Th1 sind. In seiner Funktion übernimmt der Nerv Anteile der Flexion und Sensibilität von Hand und Fingern.
- Differenzialdiagnostische Bedeutung: Das Wissen über die segmentale Zuordnung kann bei der Erkennung von Wurzelkompressionssyndromen helfen. Beispielsweise kann ein Defizit in den C6/C7-Dermatomen auf eine Läsion der C6/C7-Wurzeln oder des Nervus medianus hinweisen.
Plexus:
Der Nervus medianus entspringt aus dem Plexus brachialis, insbesondere aus den Fasciculi lateralis und medialis. Dieser Plexus verteilt die Nervenfasern aus den Rückenmarksegmenten in die Extremitäten und ermöglicht eine Signalweiterleitung von und zu den Muskeln sowie den Hautarealen.
- Differenzialdiagnose: Eine Verletzung oder Schädigung des Plexus brachialis kann weitreichende Effekte auf die Funktionen des Nervus medianus und anderer peripherer Nerven haben, wie eine vollständige oder partielle Lähmung des Arms.
Präziser Verlauf des Nervens:
Der Nervus medianus verlässt den Plexus brachialis und verläuft entlang des medialen Oberarms in die Ellenbeuge, wo er unter den Musculus pronator teres tritt und sich entlang des Unterarms zwischen dem Musculus flexor digitorum superficialis und dem Musculus flexor digitorum profundus bewegt. Über den Karpaltunnel gelangt er in die Hand und verzweigt sich zur Innervation der Finger und der Daumenmuskulatur.
- Symptome und Syndrome bei lokaler Kompression:
- Karpaltunnelsyndrom: Eine der häufigsten Ursachen für Nervus-medianus-Kompressionen, die durch Einengung im Karpaltunnel auftritt. Typische Symptome umfassen Taubheitsgefühl, Kribbeln und Schmerzen in Daumen, Zeige- und Mittelfinger. Fortgeschrittene Stadien führen zu Muskelschwund (Atrophie) des Daumenballens und Beeinträchtigungen der Daumenopposition.
- Pronator-Teres-Syndrom: Kompression des Nervus medianus durch den Musculus pronator teres führt zu Unterarm- und Handgelenksschmerzen, verminderter Pronation und Sensibilitätsstörungen in den versorgten Fingern.
- Symptome und Syndrome bei peripherer Kompression:
- Proximale Läsionen des Nervus medianus am Oberarm oder Ellenbogen führen häufig zu eingeschränkter Flexion der Finger und der Hand. Dies kann sich in Schwächen bei feinmotorischen Aufgaben äußern.
- Schmerzen und Missempfindungen können je nach Kompressionsstelle variieren; bei proximalen Kompressionen können sich die Beschwerden auf den gesamten Nervus medianus auswirken, während distale Kompressionen (z. B. im Karpaltunnel) hauptsächlich die Hand betreffen.
2. Innervation des Kennmuskels: Musculus abductor pollicis brevis
Funktion des Muskels:
Der Musculus abductor pollicis brevis bewegt den Daumen nach vorne und ermöglicht die Daumenabduktion. Diese Bewegung ist essenziell, um den Daumen von der Handfläche wegzubewegen und Objekte präzise zu greifen.
Symptome und Syndrome bei Störungen:
- Lokale Kompression:
Eine Kompression im Bereich des Karpaltunnels kann zu einer Muskelschwäche des Musculus abductor pollicis brevis führen. Ein typisches Anzeichen ist die Unfähigkeit, den Daumen kräftig abzuspreizen, was die Greiffunktion einschränkt und alltägliche Aufgaben erschwert. - Periphere Kompression:
Sensibilitäts- und Bewegungsverluste bei peripherer Kompression äußern sich oft in verminderter Kraft und Bewegungsfähigkeit des Daumens, insbesondere in seiner Abduktion und Flexion. - Dysfunktionelle Muskelspannungen:
Ein Hypertonus im Musculus abductor pollicis brevis kann zu Einschränkungen in der Daumenbeweglichkeit führen, während Hypotonie oder Funktionsausfall eine deutliche Schwäche oder sogar den Verlust der Abduktionsfähigkeit des Daumens bewirken.
3. Innervation aller weiteren Muskeln
Funktion jedes Muskels:
Der Nervus medianus versorgt zusätzlich:
- Musculus flexor carpi radialis (Beugung und leichte Abduktion des Handgelenks),
- Musculus flexor digitorum superficialis (Flexion der Fingergrund- und Mittelgelenke),
- Musculus flexor digitorum profundus (Flexion der Fingerendgelenke der radialen Finger),
- Musculus pronator teres und Musculus pronator quadratus (Pronation des Unterarms).
Symptome und Syndrome bei Störungen:
- Lokale Kompression:
Funktionseinschränkungen bei der Beugung von Hand und Fingern. Schwächen der Flexion der radialen Finger sind häufig das erste Anzeichen. Zusätzlich können Pronation und Handgelenksbeugung beeinträchtigt sein. - Periphere Kompression:
Eine periphere Schädigung kann zu Sensibilitätsstörungen und Muskelkraftverlust führen, der sich auf den gesamten Bewegungsablauf der Finger und Hand auswirkt. Typische Symptome umfassen Kribbeln, Taubheit und Schmerzen. - Muskeldysfunktion:
- Hypertonie: Führt zur Spannungserhöhung, was häufig mit Schmerzen einhergeht und die Beweglichkeit der Finger beeinträchtigt.
- Hypotonie: Reduziert die Muskelkraft, was eine Schwäche in der Finger- und Handflexion zur Folge hat.
- Funktionsausfall: Bei einem vollständigen Ausfall kann die Flexion der radialen Finger erheblich eingeschränkt oder nicht mehr möglich sein.
4. Ganglien
Lokalisation und Innervationsgebiete:
Obwohl der Nervus medianus nicht durch spezifische Ganglien verläuft, beeinflussen die Ganglien des sympathischen Nervensystems die Funktion der Extremitäten, insbesondere durch Modulation der Blutversorgung und Schmerzempfindlichkeit in den betroffenen Geweben.
Symptome und Syndrome:
Übermäßige sympathische Aktivität kann zu einer erhöhten Schmerzempfindlichkeit und Vasokonstriktion im Versorgungsgebiet führen. Typische Symptome sind „kalte Hände“ und verstärkte Schmerzempfindlichkeit.
5. Sklerotome
Lokalisation und Innervation:
Sklerotome der radialen Fingerknochen und Handwurzelknochen sind funktionell dem Nervus medianus zugeordnet.
Symptome bei Störungen:
Knochenschmerzen oder diffuse Empfindlichkeitsstörungen in den betroffenen Sklerotomen treten bei chronischen Reizungen oder Fehlstellungen auf, insbesondere im Bereich des Handgelenks.
6. Organe / Enterotome / Viszerotome
Lokalisation und Innervationsgebiete:
Der Nervus medianus versorgt keine Organe direkt. Er beeinflusst jedoch die Bewegungsmechanik der Hände, die wiederum funktionelle Rückwirkungen auf die Durchblutung und Beweglichkeit anderer Strukturen wie Sehnen und Bandapparate haben kann.
Symptome und Syndrome bei Störungen:
Sekundäre Entzündungen, wie Tendovaginitis (Sehnenscheidenentzündung), können durch Überlastung der vom Nervus medianus innervierten Muskeln entstehen.
7. Dermatome
Lokalisation:
Das sensible Versorgungsgebiet des Nervus medianus umfasst die Innenfläche des Daumens, Zeige-, Mittel- und die Hälfte des Ringfingers.
Symptome bei Störungen:
Empfindungsstörungen wie Taubheit, Kribbeln oder brennende Schmerzen in diesen Bereichen sind häufige Anzeichen für das Karpaltunnelsyndrom und andere Kompressionssyndrome.
8. Bindegewebszonen
Lokalisation:
Im Bereich des Karpaltunnels und entlang der Beugesehnen des Unterarms können Bindegewebsstrukturen den Nerv beeinflussen.
Symptome bei Störungen:
Schwellungen und Spannungen im Bindegewebe führen häufig zu einer Kompression des Nervus medianus.
9. Head-Zonen und MacKenzie-Zonen
Head-Zonen oder MacKenzie-Zonen sind für den Nervus medianus weniger typisch, da er vor allem periphere Effekte in den distalen Strukturen hervorruft.