Nervus obturatorius

Nervus obturatorius: Anatomie, Funktion und Kompressionssyndrome

1. Nervus obturatorius

Der Nervus obturatorius, auch als Oberschenkelnerv bezeichnet, ist ein gemischter peripherer Nerv, der sowohl motorische als auch sensible Funktionen ausübt. Er spielt eine zentrale Rolle in der Innervation der Oberschenkelinnenseite, wo er vor allem für die Adduktion (Heranführung) des Beins sorgt. Seine sensible Versorgung umfasst die Hautregionen an der Innenseite des Oberschenkels, und er entspringt aus dem Plexus lumbalis, also dem Nervengeflecht der Lendenwirbelsäule, genauer den Nervenwurzeln L2 bis L4.

Funktion
  • Motorische Funktion: Der Nervus obturatorius innerviert die Muskulatur, die für das Heranführen (Adduktion) und das kontrollierte Bewegen des Oberschenkels wichtig ist. Diese Muskeln tragen zur Stabilisierung des Standes bei und ermöglichen präzise Bewegungen des Beins, was z. B. beim Gehen, Stehen und Klettern wichtig ist.
  • Sensible Funktion: Er sorgt für die Empfindungswahrnehmung an der Innenseite des Oberschenkels. Das betrifft Temperatur, Schmerz und Berührung, was besonders beim Erkennen von Gefahren wie Überlastungen oder Verletzungen dieser Region wichtig ist.
Segment

Der Nervus obturatorius leitet Impulse, die auf die Segmente L2 bis L4 zurückgehen. Diese Segmentzuordnung ist funktionell von Bedeutung, da sie bei der Diagnostik eine wichtige Rolle spielt: Schmerzen oder Empfindungsstörungen, die diesen Bereich betreffen, können Rückschlüsse auf mögliche Kompressionsstellen entlang des Nervs oder der Rückenmarkswurzeln geben.

Plexus

Der Nervus obturatorius entspringt dem Plexus lumbalis. Der Lumbalplexus ist ein Nervengeflecht, das die Steuerungsimpulse für die untere Extremität und Teile des Beckens weiterleitet. Da der Plexus lumbalis ein bedeutendes Geflecht für die Versorgung der Beine ist, können Irritationen oder Kompressionen, die in diesem Bereich auftreten, den Nervus obturatorius beeinträchtigen. Ein Zusammenspiel verschiedener Plexusanteile (z.B. auch der Anteile des Plexus sacralis) sichert hierbei die umfassende Funktionalität der unteren Extremität.

Präziser Verlauf des Nervens

Der Nervus obturatorius hat einen charakteristischen Verlauf:

  1. Entstehung: Er geht aus dem Plexus lumbalis hervor und verläuft entlang der Medialseite des Musculus psoas major.
  2. Durchtritt durch das Becken: Er tritt durch das Foramen obturatum, eine Öffnung im Beckenbereich, die von einer Membran verschlossen wird.
  3. Aufspaltung: Nach Durchtritt ins Bein teilt er sich in zwei Äste:
    • Ramus anterior: Verläuft vor den Adduktorenmuskeln des Oberschenkels und versorgt die Musculi adductor longus, brevis und den Musculus gracilis.
    • Ramus posterior: Verläuft hinter den Adduktoren und innerviert den Musculus adductor magnus sowie Teile des Musculus obturatorius externus.
Symptome und Syndrome bei lokaler Kompression

Eine lokale Kompression kann auftreten, wenn der Nerv im Bereich des Foramen obturatum oder der Adduktorenmuskulatur gedrückt wird, etwa durch muskuläre Dysbalancen, Verletzungen oder Narbenbildung. Typische Symptome sind:

  • Schmerzen in der Leistenregion und Oberschenkelinnenseite: Oft stechend oder ziehend, manchmal verstärkt bei bestimmten Bewegungen wie dem Zusammenführen der Beine.
  • Kraftminderung in der Adduktion: Die betroffene Person hat Schwierigkeiten, das Bein zur Körpermitte zu führen.
  • Sensible Störungen: Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheit an der Innenseite des Oberschenkels.
Symptome und Syndrome bei peripherer Kompression

Periphere Kompression kann durch längeres Sitzen, ungewohnte Belastung oder Fibrosierungen entlang des Verlaufs des Nervus obturatorius verursacht werden. Dabei zeigen sich oft:

  • Ausstrahlende Schmerzen: Die Schmerzen ziehen entlang des Oberschenkels und können bis zum Knie ausstrahlen.
  • Empfindlichkeitsstörungen: Kribbeln, Taubheitsgefühle oder Temperaturveränderungen in dem durch den Nervus obturatorius versorgten Hautbereich.
  • Muskelschwäche: Besonders bei Bewegungen, die Adduktion oder Beinrotation erfordern. Howship-Romberg-Symptom

2. Innervation des Kennmuskels: Musculus adductor longus

Funktion des Muskels

Der Musculus adductor longus ist einer der Hauptadduktoren des Oberschenkels und sorgt für das Heranführen des Beins, insbesondere bei Bewegungen wie Laufen, Steigen und Treppensteigen. Neben der Adduktion unterstützt er die Flexion (Beugung) des Oberschenkels und wirkt leicht bei der Außenrotation mit.

Symptome und Syndrome bei Störungen
  • Lokale Kompression: Eine direkte Beeinträchtigung des Nervs, der diesen Muskel innerviert, kann Schmerzen und eingeschränkte Beweglichkeit verursachen. Typisch sind:
    • Ziehende Schmerzen entlang des Muskelverlaufs.
    • Schwäche in der Adduktion und eine verminderte Flexionsfähigkeit.
  • Periphere Kompression: Führt zu einer allgemeinen Schwächung des Beins und instabilem Gang.
  • Dysfunktionelle Muskelspannung: Hypertonus äußert sich als Muskelverhärtung und Schmerz, während Hypotonus die Stabilität und Funktionskraft beim Gehen beeinträchtigen kann.

3. Innervation aller weiteren Muskeln

Der Nervus obturatorius versorgt mehrere Adduktorenmuskeln des Oberschenkels, die als synergistische Gruppe arbeiten, um das Bein heranzuführen und das Hüftgelenk zu stabilisieren.

  • Musculus adductor brevis: Ergänzt die Adduktionsfunktion und stabilisiert das Hüftgelenk.
  • Musculus gracilis: Beteiligt an Adduktion, Flexion und Innenrotation des Beins.
  • Musculus obturatorius externus: Führt primär Außenrotation durch.
Symptome und Syndrome bei Störungen
  • Lokale Kompression: Muskeln reagieren mit Ziehen, Schwäche und verringertem Bewegungsradius.
  • Periphere Kompression: Reduziert die Stabilität der gesamten Bein-Adduktionskette.
  • Muskeldysfunktion: Hypertonus erschwert Bewegungen, Hypotonus führt zur Instabilität, und Funktionsverlust kann Gang und Standhaltung stark beeinträchtigen.

4. Ganglien

Der Nervus obturatorius hat keine direkten Ganglien entlang seines Verlaufs. Die wenigen, die in Zusammenhang mit dem Plexus lumbalis stehen, sind primär für vegetative Anteile relevant, die allerdings auf den Nervus obturatorius nur indirekten Einfluss nehmen.

5. Sklerotome

Die Sklerotome, die mit dem Lumbalsegment L2-L4 assoziiert sind, betreffen Teile der knöchernen Strukturen des Beckens und des Femurs. Dysfunktionen führen oft zu Schmerzen im Beckenbereich oder an den Knochen der Oberschenkelinnenseite.

6. Organe (Enterotome/Viszerotome)

Direkte viszerale Innervation erfolgt durch den Nervus obturatorius nicht. Jedoch kann eine enge Nachbarschaft zu anderen Strukturen, wie z.B. dem Urogenitaltrakt, Einfluss nehmen. Störungen oder Dysfunktionen im Nervus obturatorius können sekundär die Beckenbodenfunktion betreffen und in manchen Fällen zu einer Beeinträchtigung der Blasenfunktion führen.

7. Dermatome

Der Nervus obturatorius innerviert sensibel die Haut an der medialen Oberschenkelseite. Bei Störungen treten typische Symptome auf:

  • Taubheitsgefühl oder Kribbeln entlang der Oberschenkelinnenseite.
  • Schmerzen oder Missempfindungen, insbesondere bei Berührung oder Belastung.

8. Bindegewebszonen

Der Nervus obturatorius steuert auch indirekt die Spannung in den Bindegewebszonen des inneren Oberschenkels. Bei Dysfunktionen können Faszienverklebungen auftreten, die zu weiteren Einschränkungen und Schmerzen führen können.

9. Head-Zonen

Für den Nervus obturatorius gibt es keine spezifischen Head-Zonen, da er keine viszeralen Organe innerviert.

10. MacKenzie-Zonen

Die MacKenzie-Zonen des Nervus obturatorius beziehen sich auf die innere Oberschenkelregion und können bei Reizung oder Schädigung als ausstrahlende Schmerzen in diese Zone reflektiert werden.